vor ihnen liegt die 2. Exklusiv-Ausgabe des Propellerblatts. Die Fotos stammen aus einem Fotoalbum von Otto Semar, der Flugschüler bei der Bayerischen Militär-Flieger-Schule 2 in Lachen-Speyerdorf und Flugzeugführer bei der Bayerischen Flieger-Abteilung 48 war. Hinzu kamen noch Informationen aus seinem Tagebuch, das wir in Abschrift von "Memoirs of a Pilot (FlA 48) Otto Semar 1914-1919, Ferko Colllection, Box 3 Folder 3, Special Collections, McDermott Library, The University of Texas at Dallas" zur Einsicht erhielten.
An dieser Stelle möchten wir uns recht herzlich bei der University of Texas, und Frau Mag. Patrizia Nava bedanken, ohne deren Hilfe diese Ausgabe des Propellerblatts nicht möglich gewesen wäre. Das Material war so umfangreich, dass wir uns entschlossen den Umfang dieser Ausgabe gegenüber dem Standardheft um 8 Seiten zu erhöhen.
Die 1. Exklusiv-Ausgabe des Propellerblatts erschien Ende 2006 unter der Bezeichnung Extra-Heft E1 und war nach kurzer Zeit vergriffen.
Ihre IGL-Redaktion
19. Februar 1919 – Mannheim, reges Leben und Treiben besonders in Cafés, wo auch viele Amerikaner vertreten sind. Nachmittags drei Uhr Beginn der Revolution, rote Fahnen, Menschenmenge. Arbeiterfrauen ziehen unter Jubel und Geschrei zum Schloß, dringen ein, werfen sämtliche gerichtliche Akten zum Fenster hinaus.
Das ist die letzte Eintragung in einem Tagebuch des Otto Semar aus Klingenmünster. Dieses Tagebuch und ein Fotoalbum illustriert die Beschreibung eines tiefgreifenden Lebensabschnittes dieses Mannes während der Kriegsjahre von 1914 bis 1919.
Das Tagebuch – im Format und Umfang den bei uns heute gängigen Taschenbüchern ähnlich – ist in Ganzleinen gebunden. Auf dem rotbraunen Einband ist über einem grünen Eichenlaub am schwarzweißen Band das Eiserne Kreuz eingeprägt; im oberen Teil die Krone, im Schnittpunkt ein großes W und am unteren Teil die Jahreszahl 1914. Am unteren Rand des Einbandes der Schriftzug „Kriegstagebuch“.
Otto Semar kam 1917 zur Flugzeugführerschule 2, Neustadt/Haardt. Da war er 24 Jahre alt. Das Tagebuch beginnt mit der Eintragung „Selbsterlebnisse aus dem Welt-Krieg 1914-16-17-18“. Hier schildert Otto Semar vom Sonntag, den 2. August 1914 (Kriegserklärung, erster Mobilmachungstag) bis zum 18. April 1917 (Heftige Kämpfe auf den Champagnehöhen) seine Erlebnisse bei der Infanterie.
Anfang 1917 wird Semar zur Flugzeugführer-Ausbildung nach Lachen-Speyerdorf abkommandiert. In seinem Tagebuch vermerkt er präzise den Verlauf des Unterrichts und die Ausbildung zum Piloten. Über Seiten hin liest sich das wie die Eintragungen in einem Flugbuch.
Die Tagebucheinträge wurden weitgehend im Original belassen. Passagen, die nicht gelesen werden konnten, sind in [Klammern?] gesetzt. Um die Lesbarkeit zu optimieren wurden Zeitangaben an die heutige Schreibweise angepasst, Schreibfehler korrigiert und Abkürzungen vereinheitlicht.
Zum Gefeiten befördert
Abends beim Abendessen speist ein abgeschossener Engländer Südafrikaner mit, der sich von Ypern aus verorientierte und bei Quenois von 4 Jagdeinsitzern abgeschossen wurde. Ein Schuß ging ihm durch die Brille. Er ist sehr zurückhaltend, erzählt sehr wenig und genießt wenig Alkohol.
Abends bei Christiane in La Madeleine bis morgens 9:00 Uhr.
16. November 1917
Mittags 14:05 – 14:35 Uhr Sperrfeuerprüfungsflug, mußte jedoch infolge starkem Nebel unterbrochen werden. Abends nach La Madeleine bis nächsten Morgen 11:00 Uhr. Unsere Abt. bekommt eine neue Hannoveraner 180 PS Opel. Neues System.
17. November 1917
Starker Nebel. Abends 17:00 – 19:00 Uhr in Lille. Übernachte bei Christiane.
18. November 1917
Morgens 9:00 Uhr von La Madeleine zurück.11:07 – 11:20 Uhr M.G. Probeflug.
Mittags 14:40 – 15:05 Uhr Überwachungsflug mit LVG 9495 und Lt. Wille.
Abends in La Madeleine bei Christiane bis nächsten Morgen 10:00 Uhr.
27. März 1918
Verleihung des E.K.I
Vormittag zum Start auf Halberstädter. Abends beim Essen überreicht mir Hauptmann Wimmer E.K.I.
2. April 1918
Uffz. Sandleitner Jagdstaffel 77 stürzt beim Trudeln ab, war sofort tot. Er war Führer bei unserer Abteilung.
Vormittag 11:00 Uhr Uffz. Henn, Jagdstaffel 57 im Luftkampf bei Cambrai abgeschossen.
4. April 1918
Beerdigung von Uffz. Henn und Sandleitner auf dem Soldatenfriedhof in Château Rouge.